Projekt DiEDa

Logo DiEDa final

Didaktik selbstorganisierter berufsbezogener Weiterbildungsprozesse mit digitalen Medien

„Lebenslanges Lernen“ ist ein zentrales politisches Paradigma und aus Sicht von Unternehmen ist die ständige Weiterbildung von Mitarbeiter/innen angesichts sich wandelnder Anforderungen der modernen Arbeit eine Notwendigkeit. Auch aus individueller Perspektive ist Lernen etwas, was heute in vielfältiger Form möglich ist und zu unterschiedlichen Zeiten im Lebensverlauf Priorität bekommt.

Die Entwicklungen im Bereich der digitalen Medien eröffnen dabei völlig neue Möglichkeiten für vielfältig gestaltete Lernprozesse – insbesondere für die Erwachsenenbildung. Doch wie können die Akteure des Lernens – Lernende und Lehrende/Lernbegleitende – digitale Medien für Lernprozesse sinnvoll nutzen und sich nutzbar machen? Welche Voraussetzungen sind dafür nötig und wie können und sollten Lernende und Lehrende bei der Aneignung unterstützt werden? Welche Besonderheiten gelten dabei für berufsbezogenes Lernen?

Diesen Fragen geht das Projekt DiEDa nach – das Akronym steht für „Entwicklung einer Weiterbildungsdidaktik für selbstorganisierte Lernprozesse mit Fokus auf lernerorientierte Differenzierung und unter sinnvollem Einsatz von digitalen Medien“. Drei Jahre lang werden im Rahmen einer Kooperation zwischen dem Institut für Technik und Bildung der Universität Bremen (ITB) und der Bildungswerkstatt für nachhaltige Entwicklung (BiWeNa), Verden, Grundlagen einer berufsbezogenen Weiterbildungsdidaktik selbstorganisierten Lernens erarbeitet. Dabei soll dem Bezug zur und Transfer in die Weiterbildungspraxis ein großer Stellenwert beigemessen werden. Gefördert wird das Projekt im Rahmen des Programms „Innovative Ansätze zukunftsorientierter beruflicher Weiterbildung im Förderbereich Berufliche Weiterbildung“ aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).

Ziele

DiEDa verfolgt im Wesentlichen die folgenden Ziele:

  • die Aufarbeitung des Forschungsstandes und der Praxis zum beruflichen     Lernen Erwachsener mit besonderem Fokus auf die Nutzung digitaler Medien und selbstgesteuerte Lernprozesse;
  • die berufspädagogische Fundierung des Zusammenhangs zwischen     Entwicklungsaufgaben, Lernverhalten und Lernwiderständen bei erwachsenen Lernenden;
  • die Generierung fundierter Erkenntnisse zu epistemologischen Überzeugungen und didaktischer Praxis Lehrender in Bezug auf selbstorganisierte Lernprozesse und den Einsatz digitaler Medien.

Auf Basis der so generierten Erkenntnisse erfolgt eine Synthese: die Förderung von Achtsamkeit für verschiedene Lernziele und -wege mit konzeptuell stimmiger Konzertierung des Einsatzes digitaler Medien zur Weiterentwicklung selbstorganisierter beruflicher Weiterbildung. Ein Querschnittsziel ist dabei der Transfer projektbezogener Erkenntnisse aus der Forschung in die Praxis beruflicher Weiterbildung.

Hintergrund

Die (berufliche) Erwachsenenbildung unterscheidet sich vom Bereich der formalen Bildung grundlegend: Neben einer Vielfalt der Lernformen gibt es ein breites Spektrum an Bildung vermittelnden Akteuren, wobei gemeinnützigen und privatwirtschaftlichen Weiterbildungsanbietern hier eine wesentliche Rolle zukommt. Anders als im Bereich der formalen Bildung gibt es keine geregelten Qualifikationsanforderungen an pädagogisches Personal und auch nur wenige umfassende und systematische Qualifizierungsangebote, gleichwohl aber ein breites Spektrum an spezialisierten Weiterbildungen für Weiterbildner_innen, insbesondere im methodischen Bereich. Flankierend dazu gibt es eine über Jahrzehnte gereifte Didaktik der Erwachsenenbildung, ebenso wie der beruflichen Bildung. Jedoch ist die Profession gerade erst am Beginn eines Prozesses der Antizipation der Veränderungen, die die fortschreitende Digitalisierung in einer globalisierten Welt auch für das Lernen mit sich bringt:

Man kann auch lernen, ohne dass gelehrt wird. Man kann lernen, wo man will (Ortsunabhängigkeit des Lernens). Man kann lernen, was man will und wie man will (nicht alle müssen Dasselbe im Gleichschritt durchlaufen). Man braucht nicht länger überflüssige Lehrer ertragen, wenn z.B. gelehrt wird, was auch nachlesbar und komfortabel in Büchern und Lernumgebungen aufbereitet zugänglich ist. Man kann selbst entscheiden, wann und in welchen Lernprozessen man Gesellung, Diskussion oder Sozietät benötigt, um wirksam lernen zu können”

Es entwickelt sich mit wachsender Geschwindigkeit eine virtuelle Lernwelt mit ganz neuen Lernformen (Webinare, Erklärvideos, MOOCs etc.), Methoden, Strukturen und Akteuren (z.B. Lernplattformen wie Edudip). Ihre Umsetzung in die bestehende Praxis beruflicher Weiterbildung trifft jedoch auch auf individuelle und strukturelle Barrieren: Für Lehrende in allen pädagogischen Bereichen stellt sich die Anforderung, digitale Medien kompetent und didaktisch sinnvoll zu nutzen. Dabei ist die technische Seite und IT-Kompetenz des Lehrpersonals nur eine Herausforderung: hinzu kommt die fundierte didaktische Reflexion und Einordnung innovativer Technologien. Hier kommen auch epistemologische Überzeugungen des Bildungspersonals zum Tragen – so kann eine Haltung wie “Gelernt werden kann nur in Gegenwart eines Dozenten im Seminarraum” den Einsatz digitalen Lernens verhindern. Andererseits gibt es strukturelle Rahmenbedingungen, die hinderlich wirken – so wird als “Bildung” i.d.R. nur bezahlt, was in einem Seminarraum stattfindet, Selbstlernphasen mit durchdacht gestalteten Lernressourcen aber “zählen” nicht; vorhandene Seminarräume müssen aus Sicht der Weiterbildungsorganisationen nun einmal gefüllt werden; und der Einsatz technisch gestützter Lernressourcen erfordert eine entsprechende Infrastruktur, was wiederum mit Kosten verbunden ist. Damit prallt die Digitalisierung der Erwachsenenbildung auf etablierte – teilweise aber auch stark kritisierte – Kulturen und Strukturen der Weiterbildung. Dieser Zusammenstoß eröffnet – insbesondere in Hinblick auf die Transzendierung des Konzeptes von Ort, Inhalt und Zeit im beruflichen Lernen – das Potential einer fruchtbaren Weiterentwicklung der Didaktik selbstorganisierten Lernens von Erwachsenen. Denn digitale Medien eröffnen in nie gekannter Weise eine Flexibilisierung, Dezentralisierung und Individualisierung von Lernprozessen – noch nie war selbstorganisiertes und auch selbstbestimmtes Lernen auf so vielfältige Weise möglich. Aber wie kann dies didaktisch sinnvoll genutzt werden? Die Antwort darauf setzt ein vertieftes Verständnis von Selbstlern-Prozessen im Hier und Heute voraus, also unter den Bedingungen der neuen Möglichkeiten digitaler Medien in der globalisierten Welt.

Im Projekt DiEDa wird daher diese strukturell-medienpädagogische Perspektive mit einer berufspädagogischen Fundierung des beruflichen Lernens Erwachsener verknüpft. Denn um die berufliche Weiterbildung in ihren verschiedenen Ausprägungen fundiert weiter zu entwickeln sind – so unsere Hypothese – einerseits Erkenntnisse zu Entwicklungsaufgaben Erwachsener, zu typischen Lernwegen und Lernproblemen erforderlich, andererseits aber auch zu epistemologischen Überzeugungen der Lernenden und Weiterbildner. Wenn Didaktik im weiteren Sinne die Wissenschaft des durch Lehre geleiteten Lernens ist, dann bedarf es für eine gute Vermittlung zwischen Lehre und Lernen zuvorderst eines tiefen Verständnisses der Voraussetzungen von gelingendem Lernen. Menschen lernen (für sich) selbst – unter bestimmten Voraussetzungen – sogar mit viel Freude und Leichtigkeit. Sie lernen durch Lesen, Zuhören, im sozialen Kontakt, über das Fernsehen etc. – neuerdings auch über digitale Medien. Sie lernen intentional über Dinge, die sie interessieren (z.B. im Rahmen von Hobbies oder für ein Ehrenamt) oder nicht-intentional, quasi „nebenbei“, weil das Lernen Teil ihrer Lebenspraxis, ihrer Entwicklungsaufgaben als Erwachsene ist. Diese Alltäglichkeit des Lernens muss verstanden werden, um die Didaktik des Lernens Erwachsener, die in der Regel eine Didaktik des selbstorganisierten Lernens ist, weiter zu entwickeln. Das Wissen um die Verbindung zwischen der lebensbezogenen Entwicklung Erwachsener und ihrem Lernen kann als Ressource genutzt werden, wenn es darum geht, die Praxis selbstgesteuerten Lernens in Lehrkontexten weiter zu entwickeln. Diese Praxis beginnt in den Primar- und Sekundarschulen in Form von Hausaufgaben und endet für die meisten Lernenden mit dem Abschluss der Berufsausbildung. Die in der eigenen Lernbiografie gemachten Erfahrungen mit didaktisch mehr oder weniger sinnvoll eingebetteten „Selbstlernaufträgen“ wirken wiederum auf die individuelle Offenheit für “selbstgesteuerte” Ansätze im Kontext lebenslangen Lernens. Dies und das Ergebnis der PISA-Studie, dass deutsche Schüler/innen im internationalen Vergleich Schwierigkeiten haben, sich Lehrstoff selbstreguliert anzueignen, sind Anlass, sich vertieft und vor dem Hintergrund von Entwicklungstheorien mit der Didaktik von Selbstlernen zu beschäftigen. Diese berufspädagogische Fundierung des selbstorganisierten Lernens wird helfen, bestehende, oft normative oder allzu pragmatische Ansätze selbstorganisierter Weiterbildung weiter zu entwickeln.

 

Kontakt

Joanna Burchert, ITB, burchert@uni-bremen.de

Rasmus Grobe, BiWeNa, rg@biwena.de

Kommentare sind geschlossen.